Analog, digital- nicht egal

In diesem Artikel geht es nicht um eine Zusammenfassung von wissenschaftlichen Erkenntnissen, sondern um die Ergebnisse aus einem intensiven Gespräch zwischen mehreren Generationen. Es werden also individuelle Erfahrungen, Meinungen und Beobachtungen beschrieben!

 

Es geht um die ANALOGE und die DIGITALE Welt.

 

Die "Älteren/ Alten" gehören zu den Menschen, die ohne digitalen Einfluss aufgewachsen sind und frühestens im Erwachsenenalter Internet und co kennengelernt haben.

In der analogen Welt haben sie Kindheits- und Jugenderfahrungen gemacht, die sie emotional sehr geprägt haben. Sie können sich mehr oder weniger in der digitalen Welt orientieren, konsumieren auch Social Media und chatten in entsprechenden Plattformen miteinander, aber alles, was sie dort erfahren, setzen sie in Bezug zu Erlebnissen aus der analogen Welt.

Beispiel: Sie sehen, wie jemand einen Kuchen backt und aktivieren ihre Erfahrungen mit Kuchen backen: Wie fühlt sich der Teig an, wie schmeckt er, wie riecht es, wenn man den Kuchen im Ofen hat.

 

Unsere jetzt Erwachsenen sind in ihren ersten Jahren auch analog aufgewachsen, aber haben dann Kontakt mit der digitalen Welt bekommen. Sie kennen sich gut in beiden Welten aus. Ihre emotionalsten Kindheitserinnerungen können auch digitale sein, also vielleicht eine sie sehr bewegende Serie und deren Figuren darin. (POKEMON!!! Komm schnapp sie dir!!! Nur so ein Beispiel...)

Sie merken manchmal, dass sie sehr viel mehr Zeit in der digitalen Welt zubringen, als sie das eigentlich vorhatten und sehnen sich auch mal diffus zurück zu mehr analogen Erlebnissen. Aber sie können der digitalen Welt auch oft nicht widerstehen, da es einfach so belohnend fürs Gehirn ist, dort zu sein.

 

Einschub: Digitale Inhalte machen auf unser Gehirn mehr Eindruck und es kommt zu kleinen Dopaminausschüttungen, die sich gut anfühlen und von denen das Gehirn dann mehr möchte. Dopaminausschüttungen haben in unserer Evolution dazu geführt, dass wir gute Entscheidungen getroffen haben, wie süße Früchte essen, Sex haben und Kalorien zu uns nehmen. Das alles hat uns am Leben erhalten. Über ein paar Millionen Jahre lang und das verlernt das Gehirn natürlich nicht in ein paar Jahren.

 

Die junge Generation ist von Anfang an zumindest parallel in der digitalen Welt unterwegs gewesen. Wenn es gut gelaufen ist, hat das Gehirn und der Körper in den ersten sieben Lebensjahren noch viele Bewegungserfahrungen machen dürfen (unsere Grundlage im Hirn für fast alles später mal, von Mathematik verstehen, weil man dafür ein Gefühl von Raum haben muss, denn der gedachte Abstand von 2 zu 3 und von 3 zu 4 ist gleich groß und das kann man sich nur über Raum- und Bewegungserfahrungen vorstellen- bis zu eben so ziemlich allem anderen auch.)

Aber trotzdem spielt die digitale Welt eine große Rolle. Während der Lockdowns der Coronapandemie hat sich dies enorm verstärkt und in dieser Zeit bekam die digitale Welt und digitale Verständigung eine entscheidende Bedeutung.

Es geht viel darum, andere am eigenen Erleben teilhaben zu lassen und dabei möglichst interessant zu sein.

Einfach nur einen Kuchen für sich zu backen und ihn zu essen, macht da wenig Sinn. Der Prozess und das Ergebnis muss veröffentlicht werden und mithalten können zu anderen Kuchen- backen- Events, die auch angeguckt werden können. Soziale Beziehungen sind Likes und Kommentare, alles muss instagramtauglich/tiktoktauglich sein, bis zur eigenen intimen Liebesbeziehung, Feiern oder Urlauben.

 

Während es für Ältere nur Sinn macht, digitalen Kontakt mit Menschen zu suchen, die man ansonsten in der analogen Welt kennt und dort auch trifft, haben junge Menschen Kontakt zu vielen Leuten, die sie nicht "in Real Life" treffen. Und während ältere Menschen einen wie auch immer geglückten Zugang dazu gefunden haben, im analogen Leben mit anderen zurecht zu kommen, auch wenn man eher gezwungenermaßen mit ihnen zu tun hat, fehlt jungen Menschen diese Erfahrung oft.

In der digitalen Welt kann man ohne weitere Erklärung andere blockieren und ghosten und die wenigen Informationen, die man über andere hat, bieten eine gewaltige Projektionsfläche, wie TOLL man sich versteht.

Wenn dann junge Menschen in der Arbeitswelt gezwungenermaßen mit anderen zurecht kommen müssen, mit denen sie niemals zu tun haben wollten, wird es schwierig. Jetzt hilft es nicht, die Erfahrungen aus der digitalen Welt in die analoge umsetzen zu wollen.

Der unsympathische Chef ist am nächsten Tag weiterhin ein Problem. Natürlich kann man woanders hingehen, aber nicht immer läuft es da besser.

 

Und die geselligen Zusammenkünfte, die ältere Leute so mögen, lösen eher soziale Ängste aus, weil es so verwirrend und anstrengend ist, diese ständigen Konflikte mit anderen (geben wir es doch zu: wir Menschen stänkern gerne und wir sind neidisch und argwöhnisch und lästern über andere, ja, auch das ist die analoge Welt!) zu haben.

 

Gleichzeitig steigt die Gruppe derer, die sich einsam fühlen, in der Altersgruppe der 15-25 jährigen immer weiter an und auch psychische Probleme haben in den letzten Jahren bei jungen Menschen stark zugenommen. Es ist also überhaupt nicht angesagt, sich als älterer Mensch über die "Jugend" lustig zu machen. Und sicherlich war es für die soziale Entwicklung nicht förderlich, dass den Kindern/ Jugendlichen fast zwei Jahre lang gesagt wurde: "Haltet euch fern von anderen Menschen! Nahe Kontakte sind gefährlich und lebensbedrohlich." Egal wie sinnvoll das zu der Zeit erschien, es hat nicht grade geholfen, Vertrauen in unbeschwerte soziale Kontakte zu entwickeln.

Wir (ja, ich zähle mich zu den Älteren) sollten ihre Sorgen ernst nehmen und ihnen Tipps für die analoge Welt geben. Und können von ihnen viel über die digitale Welt lernen, die ja auch viele Vorteile hat.

 

Übrigens: Einfach vorzuschlagen, das Handy wegzulegen, klappt nicht. Erstens fehlen zumindest anfangs die Dopaminspritzen und es fühlt sich ungefähr so attraktiv an wie ungesalzene Pasta zu essen (mag gesünder sein, ist aber ekelig fad), es droht bei Verzicht auf die digitale Welt auch der soziale Tod.

 

Ich denke, wir werden es noch lernen, aus beiden Welten das Beste zu nehmen und bis dahin sollten wir uns gegenseitig respektieren und voneinander lernen.