"Was für ein Trauma!" "Das war echt traumatisch!"
Es hat sich zum Glück viel getan, um psychologische Traumatisierungen als Krankheit anzuerkennen, den Betroffenen die Unterstützung zu geben, die sie brauchen und das Ganze zu enttabuisieren.
Nun werde ich aber immer wieder damit konfrontiert, dass Menschen, die ein schlimmes Ereignis erlebt haben, mich fragen, ob sie denn nun traumatisiert wären oder sie sprechen davon, traumatisiert zu sein.
Daher möchte ich versuchen, den Unterschied zwischen Traumatisierungen und Erinnerungen zu erläutern.
Ein schlimmes Erlebnis kann zu einem Trauma führen, muss es aber nicht. Es gibt keine Wenn-Das-Passiert-Folgt-Dies"- Kausalität.
Viele verschiedene Faktoren wie das allgemeine Stresslevel, die empfundene Hilflosigkeit, Art und Dauer der traumatischen Erfahrung, mangelnde soziale Unterstützung, Lebensalter, Vorgeschichte und einiges mehr beeinflussen, ob es zu einer langfristigen Traumatisierung kommt oder auch nicht. Auch hier gibt es keine "Wenn- Dann"- Kausalität.
Statistisch gesehen kommt es häufiger vor, dass aus einem schlimmen Erlebnis eine sehr unangenehme und auch als schmerzhaft empfundene Erinnerung wird, aber kein Trauma.
Wo ist da also der Unterschied?
Wenn wir eine Erinnerung an ein Erlebnis haben, dann kann sie uns durchaus sehr unangenehme Gefühle verursachen, wenn wir daran denken. Aber wir wissen zu jeder Zeit, dass dieses Ereignis in der Vergangenheit liegt und nicht jetzt in der Gegenwart stattfindet. Und wir können uns an alle relevanten Details des Erlebnisses erinnern.
Bei einem Trauma kann es zu Situationen kommen, bei denen der traumatisierte Mensch das Gefühl hat, dass das zugrundeliegende Ereignis JETZT grade wieder stattfindet. Er ist wieder ganz im Geschehen und hat nicht die Zuordnung, dass die Situation an sich längst vorbei ist und nur ein auslösender Faktor, wir nennen das auch Trigger, ihn quasi wieder in die Ursprungssituation zurück katapultiert hat. Teilweise fehlen ihm auch Erinnerungen an einige Details.
Wenn die Verarbeitung eines schwierigen Ereignisses "gut" läuft, dann bleibt es "nur" eine schlimme Erinnerung, von der wir aber zu jeder Zeit wissen, dass nun alles vorbei ist. Natürlich kann es trotzdem sinnvoll sein, sich Hilfe bei der Verarbeitung zu holen!
Aber alle psychologische Hilfe wird nicht dazu führen, dass das Ereignis irgendwann wieder weg ist oder gefühlt nie stattgefunden hat. Man lernt nur, besser damit umzugehen und es einzuordnen.
Es wird ein Teil unserer Lebensgeschichte, beeinträchtigt uns aber ansonsten nicht in unserem Alltag. Trotzdem können Orte, Erzählungen von ähnlichen Erlebnissen, Musik oder Gerüche uns die Erinnerung zurückbringen und das kann sehr unangenehm sein. Aber diese Erinnerung verblasst dann auch wieder und wird wieder von anderen Geschehnissen im Alltag überdeckt.
Auch traumatisierte Personen erleben im Alltag schöne Momente und Normalität. Aber es kann jederzeit ohne Vorwarnung passieren, dass ihr Gehirn sie wieder in das Trauma zurück beamt und sie es wieder erleben.
Die Bearbeitung eines Traumas kann nur mit Hilfe von dafür ausgebildeten Personen erfolgen und daher sollten wir weiterhin alles dafür tun, dass die Betroffenen schnell und unproblematisch Hilfe bekommen.
Die Aufarbeitung einer schlimmen Erinnerung kann auch sinnvoll sein, aber oft reichen dafür die normalen "Bordmittel" wie soziale Unterstützung, Aufklärung, zeitlicher Abstand und so weiter aus.
Ich hoffe, dass ich mit diesem Artikel ein wenig dazu beitragen konnte, Aufklärung zu leisten.
Wenn jemand nicht traumatisiert wurde, ist das, und das meine ich ganz ernst, ganz wunderbar für ihn, aber er sollte diesen Begriff dann auch nicht verwenden, weil das dem Leid derjenigen, die dies als Krankheit lebenslang zu bewältigen haben, nicht gerecht wird.
Eine so furchtbare Erkrankung taugt einfach nicht zum Alltagswort und deshalb sollten wir entsprechend respektvoll damit umgehen.