Dein Herz hämmert, du schläfst nicht mehr, liegst wach und die Gedanken purzeln nur so durch deinen Kopf, du hast keinen Appetit mehr...?
Kennst du solche Zustände?
Als du den ersten Satz gelesen hast, an welche Situation hast du da gedacht?
Eine Prüfung? Der Termin für die Abgabe einer wichtigen Arbeit? Ärger mit dem Chef? Liebeskummer?
Oder auch: Verliebt sein? Vorfreude auf eine lang ersehnte Reise? Hast du grade ein paar Millionen gewonnen?
Für unser Gefühlsleben ist es ein erheblicher Unterschied, ob wir unter Mobbing leiden, uns vor Arbeitslosigkeit fürchten, befürchten, einen Kredit nicht zurückzahlen zu können oder Angst um das Leben eines geliebten Menschen haben....
ODER: unser Glück nicht fassen können, die Meisterschaft unseres Lieblingsvereins feiern, eine Hochzeit planen oder gedanklich unser zukünftiges Büro, welches uns nach einer tollen Beförderung zusteht, einrichten.
Für unseren Körper nicht.
Der befindet sich in so ziemlich demselben Ausnahmezustand und ist gestresst.
Aber die Bewertung, die wir unseren empfundenen Körperzuständen geben, die ist unterschiedlich und die macht den Unterschied zwischen Himmel und Hölle.
Wenn wir versuchen, mit Stress umzugehen, nutzen wir diese Erkenntnisse viel zu wenig.
Nachdem die Stressforschung jahrzehntelang die Gleichung: Stress= Gefahr für die Gesundheit propagiert hat, kommen aktuellere Studien zu differenzierteren Ergebnissen.
Eine Studie der Standford University befragte die 30 000 Probanden im ersten Schritt, wie viel Stress sie grade in ihrem Leben haben und auch, ob sie glauben, dass Stress etwas gefährliches sei.
Nach acht Jahren untersuchte man die Leute noch einmal und stellte fest, dass diejenigen, die viel Stress hatten, tatsächlich kränker waren und sogar ein um 43 % höheres Sterberisiko hatten, aber nur, wenn sie geglaubt hatten, dass Stress etwas schädliches und für die Gesundheit schädliches sei.
Die Teilnehmenden, die viel Stress hatten, aber die Bewertung hatten, dass Stress eigentlich etwas positives sei, waren sogar gesünder, glücklicher und produktiver als die Durchschnittsgestressten und hatten das niedrigste Sterberisiko.
Sie sahen Stress als etwas Sinnvolles an, was gewirkte, dass bei ihnen die Produktion von Dehydroepiandrosteron höher war, ein Steroidhormon, welches unser Gehirn bei Stress wachsen lässt und als Gegenspieler zum Stresshormon Cortisol wirkt.
Es ging ihnen mit dem Mindset "Stress ist förderlich" also tatsächlich körperlich besser.
Die Forscherin McGonigal (Nein, nicht Minerva McGonagall aus Harry Potter!) definierte Stress danach so: "Stress ist das, was entsteht, wenn etwas, was Ihnen wichtig ist, auf dem Spiel steht."
Es ist also weniger der Stress an sich, den wir haben, als vielmehr unsere Annahme darüber, ob Stress etwas Hinderliches und Gefährliches ist oder ob man Stress als den entscheidenden Energielieferanten für Herausforderungen sieht, der bewirkt, ob es uns gut geht oder nicht.
Es käme wohl niemand auf die Idee, beim Jubeln darüber, dass die Lieblingssportmannschaft einen tollen Sieg errungen hat, sich zu ermahnen: "Hör lieber auf damit, setzt dich hin und lenk dich ab! Solche Ereignisse solltest du in Zukunft aber besser meiden!" Obwohl uns das Adrenalin grade quasi zu den Ohren herauskommt.
Ohne eine Portion Stress kämen wir morgens kaum aus dem Bett und würden sehr antriebslos sein.
Prüflinge, die vor einer Prüfung viel Stress empfinden, haben einer anderen Untersuchung nach eher bessere Prüfungsergebnisse. Sie nehmen das Lernen ernster und die Stresshormone, sofern sie nicht überhand nehmen und eine Panikattacke auslösen, verbessern die Aktivität im Gehirn.
Wenn du also eine Prüfung vor dir hast und dich gestresst fühlst, kannst du ja mal versuchen, diese Stressportion wie eine Energiebetankung zu sehen, die dazu beiträgt, dass du letztendlich deine Aufgabe bewältigen kannst. So wie ein Auto auch betankt werden muss, damit es eine Strecke fahren und zum Ziel kommen kann.
Wenn aber das Ereignis vorbei ist, ist es schon wichtig, Pausen einzulegen und wieder runterzufahren.
Deshalb lässt es unser Körper auch nicht zu, dass wir ewig im Zustand der Verliebtheit verharren. Man ist zwar wahrscheinlich nie im Leben glücklicher und wünscht sich daher, dass das nie aufhören möge, aber irgendwann kann unser Körper diesen Dauerstresszustand nicht mehr aufrecht erhalten und holt uns aus dieser gutartigen und unbedenklichen, aber doch leicht psychotischen Stimmung heraus und lässt uns wieder "normal" werden.
Dann übrigens kann man erst feststellen, ob die Beziehung auch eine Liebesbeziehung wird, die im Alltag bestehen kann. Dann, so könnte man sagen, fängt die Liebe erst an.
Einige, die aber glauben, dass dieses VerrücktNachEinanderSein und OhneDenAnderenNichtExistierenKönnen- Verliebtheitsgefühl die wahre Liebe ist, sind dann enttäuscht und stellen die Beziehung in Frage. Sie denken, ok, wenn ich nun keine Schmetterlinge mehr im Bauch habe, dann war es wohl doch nicht der richtige Mensch für mich. Aber Verliebtheit vergeht immer. Irgendwann müssen wir ja auch mal wieder Dinge auf die Reihe kriegen und uns um Steuererklärungen, den Wocheneinkauf und die Wollmäuse in den Ecken kümmern und uns auf anderes als DIESEN EINEN MENSCHEN konzentrieren.
Ich schweife ab. Ich wollte darüber schreiben, dass die Bewertung von Stresserleben sehr wichtig dafür ist, wie wir mit unserem Stress umgehen können.
Zustände, die uns dauerhaft belasten, machen uns unglücklich und stressen uns. Vielleicht sehen wir im Stress aber auch eine Ressource, die uns befähigt, diese Zustände dann auch anzugehen und zu ändern?
Vielleicht können wir uns zukünftig in Phasen, wo wir viel auf dem Zettel haben und wir deswegen kribbelig werden, einreden, eigentlich ein bisschen verliebt und deshalb besonders GUT drauf zu sein?
Einer meiner Brüder sagte einmal, während ich über eine Deadline stöhnte, zu mir: "Ein Abgabetermin ist immer dein Freund!" Wie bitte?
Genau, wir würden uns einfach nur mehr Zeit lassen, möglicherweise noch länger gestresst sein, aber etwas nicht unbedingt besser machen. Gäbe es keine Abgabetermine für Abschlussarbeiten, würden diese teilweise wohl nie fertig werden.
Vorher habe ich solche Termine als meine Feinde gesehen, die mir mein Leben unschön machen. Als ich aber anfing in Begriffen wie "Freund" zu denken, konnte ich das Positive daran sehen und mir mein Unruhig-sein eher wie genau die Portion Energie vorstellen, die ich brauche, um es zu schaffen.
Und hinterher wartet dann die Befriedigung und der Stolz, es geschafft zu haben.
Was uns aber unsere Zufriedenheit und Motivation nimmt, ist die Tatsache, dass wir keine Zeit haben, unseren Erfolg mal kurz auszukosten und uns zu belohnen und eine verdiente Pause einzulegen. In den meisten Arbeitsbereichen ist so viel zu tun, dass ohne Pause sofort im Anschluss die noch größere Aufgabe wartet. Und es ist schwer, dann nochmal die Bewertung hinzubekommen: "Juhu, der nächste Spaß!"
Wir hetzten uns von Stressphase zu Stressphase und vergessen Pausen und Müßiggang. Das Wechselspiel von Produktivität zu auch mal total unproduktiv sein dürfen, ist aus der Balance geraten.
Wir können eben nicht dauerverliebt sein.
Aber der Stress an sich für eine bestimmte Situation, der ist es nicht, der uns schadet. Im Gegenteil, er kann unser bester Verbündeter sein.