"Ich verstehe einfach nicht, warum sie ihrem Kind nicht mal klar Grenzen setzt. Der Kleine ist doch unerträglich und bettelt grade zu darum!" "Meine Güte, was schimpft die endlos mit ihrem Kind herum. Es kann einem doch nur leidtun und es reagiert auch schon gar nicht mehr." "Wie kann man so verantwortungslos sein und einem Kleinkind schon Süßigkeiten erlauben!" "Die gönnt ihrem Kind doch gar nichts. Das wird dann so eins, was bei anderen gierig alles in sich hineinstopft und überhaupt kein Maß kennt." "Die Kleine bräuchte doch noch ihren Mittagsschlaf, das ist doch schon Körperverletzung." "Die lassen ihre drei Kinder bei sich im Bett schlafen, kein Wunder, dass die so verwöhnt sind und nie allein sein und sich mal beschäftigen können." "Der musste schon als Baby allein in seinem Zimmer schlafen, unglaublich, so kleine Kinder brauchen doch Körperkontakt."
Ich könnte ewig so weitermachen und falls du Mutter (oder Vater, aber hier soll es besonders um den sozialen Druck, den sich Mütter gegenseitig machen, gehen) bist, geht es dir da sicherlich genauso.
Offenbar kitzelt nichts so sehr das Bedürfnis, über andere zu urteilen, wie die Tatsache, dass diese betreffende Person Elternteil geworden ist.
Kinder haben ist toll.
Kinder haben ist großartig.
Kinder haben ist so schön wie nichts sonst.
Kinder haben kann einem aber auch den letzten Nerv rauben und mental und körperlich an die Grenzen bringen. In solchen Momenten ist das Allerletzte, was wir gebrauchen können, jemand, der ungefragt sein Urteil und tolle Ratschläge abgibt.
Und egal, ob du nun Mutter, Vater, nichts davon bist, es gab zumindest schon ein Mal den Moment, da hast du ein Kind mit seiner Mutter erlebt und dachtest, dass sie es anders machen sollte. Vielleicht hast du es nur gedacht. Gut so.
Denn, wenn nicht ein Kind wirklich in Gefahr ist, es dein Job ist oder du extra um deine Meinung gebeten wurdest, solltest du am besten deine Klappe halten.
Wenn sich Mütter treffen, scheint das Lieblingsthema ohnehin zu sein, das Erziehungsverhalten der grade nicht anwesenden Mutter auseinander zu nehmen und zu bewerten. Und meistens kommt dabei nicht "Die macht das wirklich prima" raus, sondern es wird nach Kräften gelästert und besser gewusst.
Als ob es für Frauen nicht schon schwierig genug wäre, alles unter einen Hut zu bringen.
Als ob Mütter nicht ohnehin oftmals ein schlechtes Gewissen mit sich herumschleppen wie einen unsichtbaren, überflüssigen, tonnenschweren Rucksack, den sie nicht loswerden.
Wenn du siehst, dass eine Mutter überfordert ist, kannst du zu ihr gehen und fragen, ob du ihr helfen kannst. Ohne Vorwurf "Denn du schaffst es ja nicht" in der Stimme. Freundlich und ernst
gemeint. Und nicht beleidigt sein, wenn deine Hilfe abgelehnt wird.
In der Regel sind die Menschen, die 24 Stunden am Tag und das 7 Tage die Woche, mit einer Sache beschäftigt sind, auch Experten dafür.
Du kennst das Kind nicht, du weißt nichts von der Vorgeschichte der Situation.
Du rennst auch nicht in die Notaufnahme einer Klinik und lässt das Medizinerteam wissen, dass sie deiner Ansicht nach doch mal alles anders machen sollten. Ich hoffe zumindest, dass du so was nicht machst. Selbst wenn du manches der Maßnahmen der Notfallmediziner nicht verstehen würdest, würdest du darauf vertrauen, dass sie grade das Beste in der Situation und für den Menschen entscheiden.
Auch wenn es befremdlich aussieht.
Es muss diese erbitternden Rechthabereien darum, ob ein Kind morgens Haferbrei essen sollte oder nicht, ab wann es sich die Schuhe zubinden können muss und ob eine Einschlafgeschichte Abends die Intelligenz fördert, doch gar nicht geben.
Unsere Kinder sind viel widerstandsfähiger als wir es glauben.
Umfangreiche internationale Untersuchungen über DIE perfekte Erziehungsmethode haben gezeigt, dass es sie (zumindest außerhalb von jeweils national priorisierten Erziehungsratgebern) nicht gibt.
Wenn sich Kinder
- GELIEBT UND GESEHEN FÜHLEN
- VERTAUEN/ BINDUNG AUFBAUEN KÖNNEN und
- ORIENTIERUNG HABEN, also FÜR SIE NACHVOLLZIEHBARE GRENZEN AUFGEZEIGT BEKOMMEN, DIE AUCH KONSEQUENT EINGEHALTEN WERDEN
läuft (fast immer) alles gut.
Viele Eltern wurschteln sich so durch und sind nicht immer konsequent. So ist das halt.
Bei manchen laufen Kinder eher so mit, bei anderen dreht sich alles ums Kind. Hat alles seine Vor- und Nachteile und meistens finden die Kinder so oder so ihren Weg. Und finden das später in ihrem Leben ganz gut so wie es gelaufen ist oder kritisieren es.
Was aber echt schädlich ist, sind gestresste Eltern und eben auch GESTRESSTE MÜTTER, denn sie sind es immer noch größtenteils, die die sogenannte Care- Arbeit erledigen. Daher haben sie oft ein besonders hohes Stresslevel.
Die Supermütter sein und ihre Erwerbsarbeit trotzdem noch auf die Reihe kriegen wollen, die rein statistisch gesehen den Löwenanteil der Hausarbeit erledigen. In Familien und als Alleinerziehende sowieso und meistens sind die Kinder hauptsächlich bei ihrer Mutter. Klar gibt es Ausnahmen, aber die Statistiken sind da eindeutig.
Wenn diese gestressten Mütter sich dann zum Beispiel noch dazu zwingen, Abends vorzulesen, obwohl sie dazu Null Lust haben, spüren das Kinder sofort. Und NEIN, das soll dir nicht noch mehr schlechtes Gewissen und Druck machen, dass du das auch noch irgendwie unbedingt genießen musst. Es soll dich ermuntern zu überlegen, was DU denn als Einschlafritual schön fändest.
Es gibt nichts besseres für Kinder als glückliche und möglichst entspannte Eltern.
Also, wenn du etwas wirklich Gutes für dein Kind/ deine Kinder tun willst, dann tue etwas für dich.
Sieh zu, dass du dir auch mal ne Pause gönnst. Siehe zu, dass du die Zeit mit deinen Kindern auch wirklich möglichst oft genießen kannst.
Nicht nur Pflichten abarbeitest. Hausaufgaben machst, obwohl du vor Erschöpfung schreien könntest. Versuchst, unbedingt noch Gemüse in den Kinderkörper zu zwingen, obwohl euch das die Essenssituation völlig verhagelt.
Und klar hätte ich Tipps, wie man diese Situationen nach meiner Erfahrung und Auffassung entschärfen könnte. Aber ich will nicht in die Falle tappen und jetzt Ratschläge geben. Das würde ja die Grundaussage dieses Artikels lächerlich machen. Denn ICH bin tatsächlich nicht die Expertin für deine Situation. Das bist du. Was du tun kannst:
1. Überlege dir, wie du Zeit mit deinen Kindern verbringen willst. Wie würdest du dein Ziel formulieren? An was möchtest du dich selber oder soll sich dein Kind später mal erinnern, wie es mit euch war? Was ist dir wirklich wichtig?
2. Und danach überlege dir einen Weg dahin, der für dich und dein Kind auch passt. Alles andere funktioniert sowieso nicht.
Welche Aufgabe kannst nur DU erledigen? Was könntest du auch delegieren? Was kannst (oder musst) du vielleicht ganz lassen, weil es nicht zu schaffen ist? Zumindest nicht, ohne dass du total gestresst bist.
Wenn du Hilfe für deine Strategien brauchst, dann kannst du andere nach ihren Erfahrungen und Tipps fragen.
Und ich wünschte mir, dass die Mütter sich gegenseitig einfach besser unterstützen und nicht ständig kritisieren würden. Und möglichst viel Vergnügen miteinander und ihren und den anderen Kindern haben. Denn es kann noch mehr Freude machen, die Zeit der Kindheit des eigenen Nachwuchses zu erleben, wenn man sie mit anderen in der gleichen Situation teilen kann. Die verstehen, wie es sich anfühlt, wenn man die Nacht damit zugebracht hat, ein schreiendes Kind zu beruhigen. Die mitfühlen können, wie herzzerreißend süß manche Augenblicke sind.
Es wird immer noch genügend übrig bleiben, um was man sich kümmern muss, was eben auch keinen Spaß macht. Das gehört auch dazu. In diesen Momenten versuche an Balu, den Bären aus dem Dschungelbuch, zu denken und summe innerlich mit:
"Versuch´s mal mit Gemütlichkeit, mit Ruhe und Gemütlichkeit..."