Vor 90 Millionen Jahren hatten du, ich und alle heute lebenden Mäuse gemeinsame Vorfahren. Bis vor so ungefähr 6,5 Millionen Jahre immerhin auch alle Schimpansen und Gorillas…nagelt mich da bitte
nicht auf die Woche fest! Unsere berühmte Urahnin Lucy ist über drei Millionen Jahre alt. Und irgendwann dann vor 2-3 Millionen Jahren begann unsere faszinierende Reise zum heutigen Smartphone-
Besitzer.
Erstmal waren wir, also unsere Vorfahren, als Jäger und Sammler unterwegs und entwickelten uns so nach und nach zum Homo Sapiens, was auf Latein so ungefähr „verstehender, gescheiter, kluger,
vernünftiger Mensch“ bedeutet.
(Ja, auch wenn du jetzt vielleicht staunst: Diese Bezeichnung gilt auch für deinen Chef, die Nachbarin oder deinen Ex- Freund!)
Erstmal zog auch der Homo Sapiens noch so ungefähr 200 000 Jahre lang weiter als Jäger und Sammler herum.
Erst so circa vor 10 000 Jahren begannen die Menschen sich niederzulassen und Ackerbau und Viehzucht zu betreiben, sich Häuser zu bauen und hübsche Keramiken herzustellen.
Wenn wir uns überlegen, wie lange wir als Menschheit nomadisch unterwegs waren und wann wir uns dauerhafte Unterkünfte bauten, dann ist das ein Verhältnis von… es ist schwer zu erklären, weil MILLIONEN sich als Menge vorzustellen, unsere Vorstellungskraft schlicht überfordert.
Aber wenn du dir einen 100 Meter langen Weg vorstellst und denkst, wenn die Menschen sooooooo lange als Jäger/ Sammler unterwegs waren, dann müssen wir uns danach noch ein paar Zentimeter vorstellen , und du hast eine Vorstellung davon, wie kurz in unserer Entwicklungsgeschichte wir erst sesshaft wurden.
Der nächste Einschnitt begann mit der Industrialisierung vor grob 200 Jahren, in Deutschland sogar noch ein bisschen später. Auf unserem Weg kannst du dir dafür ein paar Millimeter vorstellen. Millimeter!
Und unsere Digitalisierung und die Benutzung weltweit von Smartphones als Kommunikations- und Informationsmittel kannst du als Entfernung nicht mehr mit dem bloßen Auge sehen. Es wäre weniger als
ein Millimeter.
Warum stresse ich dich mit diesen ganzen Zahlen?
Weil diese Faktoren so eine entscheidende Bedeutung für uns jetzt haben.
Die paar Jahrtausende sind für evolutionäre Prozesse ein Nichts!
Daher funktionieren unsere Gehirne und Körper und Einschätzungen oft immer noch so, wie es eben viele Millionen von Jahren fürs Überleben klug war.
Mit weitreichenden Auswirkungen, denn vieles ist jetzt überhaupt nicht mehr klug. Und für diese Faktoren ist es schlau, den „Sapiens“ in uns zu bemühen, um wirklich vernünftig Dinge zu tun und uns nicht zu schaden.
Hey, wir nennen uns inzwischen sogar Homo Sapiens Sapiens! Doppelt klug! Man sollte meinen, dass wir das hinbekommen!
Ich greife mal vier von etlichen Bereiche heraus, in der uns unsere Evolution noch prägt:
1. Wir als soziale Wesen
In unserer Entwicklungsgeschichte wären wir ohne die schützende Gruppe ernsthaft bedroht gewesen. Allein hatten wir kaum eine Chance zu überleben.
Wenn heutzutage jemand Mobbingerfahrungen macht, also aus der sozialen Gruppe ausgegrenzt wird, ist das maximaler, gefühlt lebensbedrohender Stress für uns. Selbst wenn wir eigentlich Arbeiten
erledigen können, bei denen wir keinen Kontakt zu anderen brauchen, uns im Supermarkt Essen kaufen können und man prima allein in einer Wohnung leben kann: Aber die meisten von uns würde die
damit verbundene Einsamkeit fertig machen.
Auch wenn sie uns so oft nerven, wir brauchen andere Menschen, mit denen wir Kontakt haben. Und von ihnen ausgegrenzt zu werden, schmerzt unser Gehirn mindestens so sehr wie körperliche Gewalt.
Auch Kinder aus gewalttätigen Familien berichten, dass es sich noch unerträglicher anfühlt, ignoriert zu werden als geschlagen. (Was definitiv auch schrecklich und nicht zu rechtfertigen ist!
Ich sag’s vorsichtshalber noch mal ganz deutlich!)
2. Stress
Auf Gefahren schnell reagieren zu können war für unsere Vorfahren über Millionen von Jahren überlebenswichtig! Also die ganzen 100 Meter lang. Dass nun seit nicht mal einem Millimeter Entwicklungsgeschichte uns Dinge stressen (PC- Programm ist von Viren befallen, im Verkehrsstau stehen…), die gar nicht mehr lebensbedrohlich sind und unsere Reaktionen uns eher gesundheitlich schaden als nützen, ist ein großes Problem.
3. Bewegung
Wir waren viel unterwegs, haben unseren Körper gebraucht, um genug Essen und Trinken zu besorgen, uns in Sicherheit zu bringen. Gesessen haben wir auf dem Boden, dabei balanciert der Körper immer
wieder den Rücken aus und verändert seine Position.
Auch wenn unser Sessel noch so bequem ist: Unsere Körper sind nicht dafür konstruiert worden, über Stunden regungslos Serien zu schauen.
Da unsere Vorfahren energiesparend mit ihren körperlichen Ressourcen umgegangen sind und daher so oft faul waren wie es nur ging, fühlt sich dieses Verhalten aber für uns grundsätzlich gut und
belohnend an.
4. Kommunikation
Sich über Worte austauschen zu können ist wichtig für uns. Sie ermöglichen es uns zum Beispiel, uns über Erfahrungen anderer zu informieren, etwas für die Zukunft zu planen…und natürlich uns vor
Gefahren zu schützen! Nach wie vor steckt dieses Bedürfnis tief in uns. Wir MÜSSEN uns über Neuigkeiten informieren!
Und wir MÜSSEN miteinander kommunizieren, weil wir (siehe Punkt 1) zutiefst soziale Wesen sind.
Solange uns die moderne Welt die Verfügbarkeit von Informationen über Computer und die Möglichkeiten zu kommunizieren übers Telefon bereitstellte, klappte es noch relativ gut, diesen Drang im Griff zu haben.
Seitdem Smartphones beides miteinander kombiniert haben, können wir uns dem kaum noch entziehen. Zu groß erscheint unserem Urzeit-Gehirn die Gefahr, etwas Einschneidendes zu verpassen oder den Kontakt zu anderen zu verlieren.
Wie können wir diese Erkenntnisse nutzen?
- Uns erstmal sachlich klarmachen, dass soziale Ausgrenzung so schmerzt, weil es für unser Überleben wichtig war, dann uns aktiv Verbündete suchen und versuchen, die Mobber emotional zu ignorieren. Dazu kannst du dir vorstellen, dass du von einer schützenden Blase umgeben bist, die die Angriffe nicht durchlässt oder ähnliche Techniken. (Das ist so umfangreich, das es dazu einen eigenen Artikel geben müsste). Oder dir eine Umgebung zu suchen, die dir gut tut. Rechtliche Mittel ausschöpfen.
Alles davon.
Egal: Wenn es dich emotional fertig macht, verharre nicht in der Situation, das kannst du (und könnte auch sonst niemand) nicht lange aushalten.
- Bewege dich so oft es geht!
- Übe Stressbewältigungstechniken!
- Wenn du dich einsam fühlst, suche aktiv den Kontakt zu anderen. Sprich andere an. Was hast du zu verlieren? Vielleicht sind sie nicht an dir interessiert. Und dann? Werden sie nicht deine Freunde. Werden sie auch nicht, wenn du keinen Kontakt aufnimmst. Du hast also real nichts zu verlieren. Sollten sie dich sozial ablehnen, ist das heutzutage NICHT mehr lebensbedrohend!
Bitte lobe dich ausführlich für jeden Kontaktversuch, den du unternommen hast, egal, wie das Ergebnis war. Das war mutig und du kannst stolz auf dich sein.
Ich bin stolz auf dich und unsere Mäuse- Urahnin ist es auch.
ich denke übrigens, wenn einer unserer Vorfahren einen Tag unser Leben leben könnte, mit sauberem Wasser aus der Wand, warmer Dusche, Zugang zu medizinischer Versorgung und vollen Supermärkten- es käme diesem Mensch wie das Paradies vor!
Und, ja, es gibt auch viele Menschen, die jetzt leben, für die dies ein Luxus darstellt, den sie nie erleben werden. Aber die werden auch diesen Blog eher nicht lesen können.
@ An alle archäologisch, biologisch und historisch gebildeten Menschen: Ja, da sind etliche Details durchs Raster gefallen, aber es hätte den Artikel komplett gesprengt, wenn ich alles noch genauer aufgeschlüsselt hätte. Ich hoffe, es hat euch beim Lesen nicht zu sehr gestresst!